Das alte Schiff
Tief in Lehm und Mergel eingebettet,
ruht ein Schiff von großer Fahrt.
Schlamm und Meergrund, der es angekettet,
Hat´s vor Feuer und Zerfall gerettet,
hat uns seinen stolzen Bau bewahrt.
Reich geschmückt mit Runen, Rad und Rossen,
ragt der kühn und schlank gewölbte Bug.
Aus der Erde, die ihn einst umschlossen,
in das Taglicht, das ihn einst umflossen,
als er sich noch durch die Meere schlug.
Seine ausgegrab`nen Eichenplanken
sind noch immer fest und hart gefügt.
Rabe, Reiter, Drachenkopf und Ranken
schimmern immer noch im astlos schlanken
Holz, das einst die Wogenflut durchpflügt.
Unsere Ahnen, hohe blonde Hünen,
haben das versunk`ne Schiff gebaut.
Haben es im Frühling von den Dünen
in das Meer gerollt und mit dem kühnen
Blick nach fernen Küsten ausgeschaut.
Haben noch ein letztes mal am Herde
abschiednehmend Weib und Kind geküßt,
weihten mit dem Hammer Pferd und Erde,
grüßten noch einmal mit Speer und Schwerte,
ehe sie ihr Wimpeltuch gehißt.
Ließen sich von Wind und Woge rollen,
steuerten un Klippe, Sund und Riff;
nach den Ländern, wo die Trauben schwollen.
Wo die Besten auf der Wal verschollen,
zwangen sie ihr sturmgeprüftes Schiff.
Alle starben. Ihre Knochen bleichen
tief im Schiffsrumpf, wo sie aufgebahrt...
laßt das alte Fahrzeug, laßt die Leichen!
Baut ein neues Schiff aus harten Eichen,
geht mit ihm auf neue weite Fahrt!
Johannes Linke